Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 3 (März) - ISSN 1619-2389
 

Kriminalistisches Krisenmanagement

von Rolf D. Kreyer

Wirtschaftskriminalität:
Ein Verbrechenssegment mit langer Tradition

Schon vor 20 Jahren sorgte der Finanzdisponent eines Großunternehmens für Schlagzeilen. Zunächst unbemerkt leitete er 38 Millionen DM auf das Konto eines Kellners um, ließ das Geld bar abheben und flüchtete anschließend mit der Beute nach Südamerika. Die bis dahin erfolgreiche Unternehmensführung stand plötzlich im Blickfeld der Öffentlichkeit. Das Unternehmen wurde mit Häme und Spott bedacht. Immer wieder mußten sich die Führungskräfte die Frage gefallen lassen, wie all dieses unbemerkt geschehen konnte. Kurzum: Eine nicht unerhebliche Ansehenskrise war entstanden.

Erst nach Bündelung aller Kräfte wendete sich das Blatt. Die Kriminalpolizei stellte intensive Ermittlungen an. Rechtsabteilung und Revision des Unternehmens gingen den betriebsinternen Schwachstellen auf den Grund. Ein externer Krisenmanager wurde hinzugezogen, der insbesondere im Umfeld des Täters recherchierte. Schließlich gelang es, den Flüchtigen in Südamerika festzunehmen und ihn - zusammen mit einem Großteil der Beute - nach Deutschland zurückzubringen. Von nun an wandelte sich die öffentliche Meinung über das Unternehmen. Die Führungskräfte wurden in den Medien für ihr beherztes Handeln gelobt und das Unternehmen mit Superlativen bedacht.

Nicht ganz 20 Jahre später ereignete sich ein ähnlicher Fall. Wiederum hatte eine untreue Finanzdisponentin ein weltweit operierendes Großunternehmen über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren schwer geschädigt. Durch betrügerische Finanzverschiebungen gelang es der Frau, rund 10 Millionen DM beiseite zu schaffen. Sie hatte es sogar verstanden, Zweitunterschriften von Führungskräften zu erhalten. Zwar war in diesem Fall die Festnahme der Täterin eine reine Formsache. Dennoch konnte der Schaden nur teilweise wieder gutgemacht werden, denn es blieb großes Mißtrauen innerhalb des Managements. Mehrnoch: Es kam - wegen gegenseitiger Verdächtigungen - beinahe zur "inneren Spaltung" der Geschäftsführung.

Hilfe von außen war gefragt. Ein "kriminalistischer Krisenmanager" stellte intensive Ermittlungen im Unternehmen an. Hierdurch konnte dem Finanzbereichsleiter des Unternehmens eine erhebliche Mitschuld nachgewiesen werden. Schließlich räumte dieser in einem handschriftlichen Geständnis seine volle Schuld ein und gab zu, nichts zur Verhinderung des Schadens unternommen zu haben. Erst jetzt konnte die Führungskrise beigelegt werden und das Management zum Tagesgeschäft zurückkehren.

Beide Fallbeispiele machen dreierlei deutlich:

  • Selbst sehr erfolgreiche Unternehmen können von einem Tag auf den anderen - allein durch Kriminalität "von innen" - in eine erhebliche Krise hineingezogen werden. Hinzu kommen gewaltige Gefahren durch kriminelle Angriffe "von außen".
  • Auch wenn für Großunternehmen mit Jahresumsätzen im dreistelligen Millionenbereich der finanzielle Schaden eher gering ist, können kleinere Unternehmen durch die Taten von Wirtschaftskriminellen schnell den finanziellen Ruin erleiden. Hinzu kommt - unabhängig von der Größe und wirtschaftlichen Stabilität des Unternehmens - ein gewaltiger Vertrauensverlust sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens.
  • Im Glauben an die eigene "Unverwundbarkeit" verzichten viele Unternehmen auf Präventivmaßnahmen, die die "Chancen" für Wirtschaftskriminelle deutlich senken würden. Ist die akute Krise bereits eingetreten, so verhindert häufig die Eitelkeit vieler Führungskräfte ein rechtzeitiges Hinzuziehen externer Krisenmanager. Nur diese können - dank fehlender Betriebsblindheit - adäquate Maßnahmen der Krisenbewältigung und Prävention schnell - und meistens auch erfolgreich - einleiten.

Aufbauend auf diesen Überlegungen werden im folgenden die Akteure und Ursachen sowie praxisnahe Konzepte gegen Wirtschaftskriminalität erörtert. Ein Ausblick auf die zukünftigen Herausforderungen des kriminalistischen Krisenmanagements rundet die Darstellung ab.

Akteure der Wirtschaftskriminalität:
Von der Individualkriminalität bis zur Staatskriminalität

Es gibt keine verläßlichen Zahlen über den jährlichen Gesamtschaden, der durch Wirtschaftskriminelle verursacht wird. Allerdings belaufen sich die Schadensschätzungen allein für den Bereich des Anlagebetruges auf rund 60 Milliarden DM pro Jahr. Doch dieses dürfte nur ein Bruchteil der gesamten Wirtschaftskriminalität sein. Die Vielfalt dieses Kriminalitätssegmentes spiegelt sich auch in der Vielzahl der Akteure wieder:

  • Unternehmensinterne Einzeltäter: Wie die Fallbeispiele eindrucksvoll gezeigt haben, erleiden Unternehmen große Schäden durch Straftaten von innen - also durch die eigenen Mitarbeiter. Neben betrieblicher Korruption und Bestechlichkeit können auch der Diebstahl von Sachgegenständen und Know-How sowie Sabotage zu erheblichen Produktionsausfällen mit großen finanziellen Schäden führen. Nicht selten greifen die hierdurch verursachten Krisen auch auf andere Unternehmen oder staatliche Einrichtungen über. So hat der Absturz der Wuppertaler Schwebebahn im April 1999 gezeigt, daß möglicherweise interne Führungsschwäche, Kontrollmängel, schleichende Gleichgültigkeit der Mitarbeiter und Kostendruck gegenüber den beauftragten Unternehmen zu schweren Unfällen mit Todesopfern führen können. Bereits seit 1996 ermittelt die Staatsanwaltschaft Wuppertal bei der Stadtverwaltung wegen schwerster Korruptionsvorwürfe in 220 Fällen. Sogar der Kämmerer der Stadt wurde vorübergehend in Haft genommen.
  • Unternehmensexterne Einzeltäter: Die jährlich etwa 100 Erpressungsfälle zum Nachteil deutscher Unternehmen stellen einen Großteil der externen Wirtschaftskriminalität dar. Die Produkterpressungen der vergangenen Jahre - beispielsweise gegen Aldi, Rewe, Nestlé, Tengelmann, die Gilde-Brauerei, die Deutsche Bahn, Beiersdorf sowie verschiedene Kaufhausketten und Automobilhersteller - haben gezeigt, daß hier im Regelfall Einzeltäter am Werk sind. Im statistischen Durchschnitt ist der Erpresser rund 40 Jahre alt, kommt aus verschiedensten Berufen, ist meistens hoch verschuldet und größtenteils ohne vorherige kriminelle Karriere. Im Vordergrund solcher Produkterpressungen steht (fast) ausschließlich das Herauspressen des Lösegeldes zur Lösung der persönlichen - meist finanziellen - Krise des Täters. Glücklicherweise wird bei den angedrohten Tathandlungen - beispielsweise Giftanschlägen - nicht so viel Energie eingesetzt, so daß nur selten Menschen zu Schaden kommen.
  • "Virtuelle" Wirtschaftskriminelle: Bei aktuellen Erpressungsfällen zeigen sich gefährliche Entwicklungen im Bereich der Erpressungsmodi. Die Täter melden sich immer öfter aus Internet-Cafes, die Geldübergaben sollen auf Übersee-Konten erfolgen und von dort aus unerkannt weitertransferiert werden. Die Kriminellen fordern Blanko-Kreditkarten oder 40-stellige Zahlenkombinationen zum Einlesen in Kreditkarten-Rohlinge. Diese neuen "virtuellen" Modi der Wirtschaftskriminalität wirken sich bei der Aufklärung der Erpressungsfälle äußerst negativ aus, da eine Internet-Übermittlung viele kriminalistische Ermittlungsansätze nicht mehr zuläßt. Die Strafverfolgungsbehörden sollten daher die technische Lücke zum "Internet-Erpresser" möglichst bald schließen. Nur so kann verhindert werden, daß einerseits "erfolgreiche" Erpressungen" Nachahmungstaten anregen und andererseits die organisierte Kriminalität dieses Verbrechenssegment für sich entdeckt.
  • "Organisierte" Wirtschaftskriminelle: Hauptbetätigungsfeld der Organisierten Wirtschaftskriminalität ist die Produktpiraterie. Das Spektrum reicht von der unerlaubten Nachahmung prestigeträchtiger "Jeans"-Labels bis zur Imitation hochwertiger Flugzeugersatzteile. Der Schaden durch Plagiate wird allein von den deutschen Markenherstellern auf rund 55,5 Milliarden DM pro Jahr geschätzt. Andere Quellen sprechen sogar von Schäden im dreistelligen Milliarden-Bereich. Schon heute entfallen bereits rund 10 % des Welthandelsvolumens auf Plagiate. Der weltweite Kampf gegen die Produktpiraterie steht dabei vor vielfältigen Schwierigkeiten:
    • In der Gesellschaft wird die Herstellung von Plagiaten und der Handel mit ihnen noch immer als "Kavaliersdelikt" oder "günstiges Angebot" angesehen. Dabei entstehen - neben gewaltigen wirtschaftlichen Schäden - nicht selten auch erhebliche Gefahren für "Leib und Leben" - beispielsweise durch die Verwendung minderwertiger Flugzeugersatzteile.
    • Die "Billiglohnländer" der Dritten Welt haben die Herstellung von Plagiaten als gewaltige Einnahmequelle für sich entdeckt. Nur selten sind daher die Regierungen solcher Länder bereit, diesen "wichtigen Wirtschaftsfaktor" den Interessen des Marken- und Verbraucherschutzes zu opfern.
    • Die Produktpiraterie bedient sich straff organisierter Vertriebswege. Der "Kleinabsatz" erfolgt in der Regel über minder kriminelle Händler. Im Bereich des Großabsatzes finden Plagiate - oftmals mittels Korruption - den Weg in die Regale der "legalen Wirtschaft". Hierdurch gelingt der Organisierten Kriminalität einerseits die Abschöpfung vermeintlich "legaler Gewinne". Andererseits hat der Verbraucher kaum noch eine Chance, die Fälschungen zu entdecken.
  • "Spionierende" Wirtschaftskriminelle: Nach einer Umfrage der Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit in der Wirtschaft (ASW) waren 1996/97 rund 32% der deutschen Wirtschaftsunternehmen mit Spionage durch staatliche Nachrichtendienste und fast 60% mit Konkurrenz-Spionage konfrontiert. Der geschätzte Gesamtschaden für die deutsche Wirtschaft durch das Ausspähen existentieller Unternehmensdaten ("Vital Records") liegt bei mehr als 10 Milliarden DM. Die Dunkelziffer dürfte enorm sein, denn nur 2,7 % der Befragten haben Anzeige erstattet. Außerdem sind staatliche Wirtschaftsspionage und das Ausspähen durch Wettbewerber nicht immer zu trennen. So verlor Siemens 1993 einen 4 Milliarden DM Auftrag zur Lieferung des ICE nach Südkorea. Vorausgegangen war die Ausspähung durch den französischen Geheimdienst DGSE und eine "Weiterleitung" dieser Informationen an den Siemens-Konkurrenten GEC Alsthom. Letzterer lieferte schließlich den TGV - anstelle des ICE - nach Südkorea. Spätestens dieses Fallbeispiel zeigt, daß Spionageangriffe gegen deutsche Wirtschaftsunternehmen fester Bestandteil im Tätigkeitsfeld der Auslandsnachrichtendienste - auch aus befreundeten westlichen Ländern - sind.

Die Wirtschaftspionage muß dabei keineswegs durch riskante "personelle Angriffe" auf Mitarbeiter des betreffenden Unternehmens erfolgen. Bedingt durch die weitreichende Vernetzung der Wirtschaft und den Austausch großer Mengen an digitalisierten Daten ergeben sich relativ risikolose technische Möglichkeiten zum Angriff auf sensible Unternehmensdaten. Das intensive Abhören des internationalen Telefonverkehrs - insbesondere mit den USA - und das Ausspähen wichtiger Daten über ISDN-Telekommunikationsanlagen sind sicherlich nur die Spitze des Eisbergs. Abhörangriffe weit unterhalb der Möglichkeiten einer staatlichen Wirtschaftsspionage durch Wettbewerber mit recht einfachen Mitteln der Abhörtechnik - wie "Wanzen" oder Minikameras mit Sprachübertragung - sind in den hart umkämpften globalen Märkten längst an der Tagesordnung.

Zur Vermeidung existenzbedrohender Unternehmenskrisen durch Wirtschaftsspionage - gleich welcher Art - sollten Unternehmen daher frühzeitig Rat bei kriminalistischen Krisenmanagern und High-Tech-Abwehrtechnikern suchen. Außerdem gilt es, die "Vital Records" rechtzeitig zu sichern und bei "unerklärlichen Vorfällen" sofort Spionageabwehrtechnik einzusetzen. 

  • "Staatliche" Wirtschaftskriminelle: Nach dem Zusammenbruch des ehemaligen Ostblocks konnte sich insbesondere in Rußland die Organisierte Kriminalität - mit tatkräftiger Unterstützung der Geheimdienste - (weitgehend) ungestört entwickeln. Die deutsche Wirtschaft steht damit vor einer dreifachen Herausforderung:
    • Erstens hat sich die Organisierte Kriminalität bereits unantastbar in der russischen Wirtschaft etabliert. Zuverlässige Schätzungen gehen davon aus, daß rund 40 % der russischen Unternehmen fest in der Hand der Organisierten Kriminalität sind - und wohl auch bleiben werden.
    • Zweitens ist eine "Verbürgerlichung" der kriminellen Paten - nach dem Vorbild der USA - in Rußland kaum zu erwarten, denn in den früheren Sowjetstaaten sind keinerlei demokratische Traditionen vorhanden.
    • Drittens unterschätzen deutsche Unternehmen die gewaltige Brutalität und Gewaltbereitschaft, mit der die Organisierte Kriminalität in Rußland ihre "Errungenschaften" verteidigt. Morde, Entführungen und Erpressungen sind an der Tagesordnung. Dieses mußte auch die Ehefrau des niederländischen Philips-Präsidenten grausam erfahren, als sie im November 1998 verschleppt, lebensgefährlich verletzt und in einem Straßengraben zurückgelassen wurde.
  • Deutschen Unternehmen wird es kaum gelingen, dieser Kriminalitätsform auszuweichen. Sie müssen sich zwangsläufig mit ihr "arrangieren". Hier ist der Rat erfahrener Kriminalisten gefragt, damit schwere finanzielle und körperliche Schäden für Unternehmen und deren Mitarbeiter verhindert werden.

Ursachen der Wirtschaftskriminalität:
Staatliche Schützenhilfe, mangelnde internationale
Zusammenarbeit, allgemeiner Werteverlust

Ebenso vielfältig wie die Erscheinungsformen der Wirtschaftskriminalität sind auch deren Ursachen:

  • Mangelnde Rechtsanpassung und polizeiliche Zusammenarbeit in Europa: Während sich der Zusammenschluß und die Öffnung der nationalen Märkte in Europa rasant entwickelt, sind die Polizei- und Justizbehörden noch weit von einer effektiven Zusammenarbeit entfernt. So gab es bis 1998 keinen polizeilichen Datenaustausch zwischen Deutschland, Belgien und den Niederlanden. In Belgien gestohlene Fahrzeuge konnten daher als Importfahrzeuge "ordnungsgemäß" in Deutschland zugelassen werden. 
  • "Staatliche Entwicklungshilfe" für die Organisierte Kriminalität in Osteuropa: Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks fand die Organisierte Kriminalität aus Osteuropa schnell Anschluß an ihre westlichen "Vorbilder". Schützenhilfe leisteten die Geheimdienste, die die Organisierte Kriminalität für ihre politischen Interessen nutzten und in ihre Strukturen einbanden.
  • "Staatlicher Schutz" der Wirtschaftskriminalität in den Entwicklungsländern: Die Regierungen vieler Entwicklungsländer dulden und decken die Taten von Wirtschaftskriminellen auf ihrem Territorium. Sie behindern hierdurch die erfolgreiche internationale Strafverfolgung der Schuldigen und hoffen auf diese Weise, Anschluß an das Wohlstandsniveau der Industrieländer zu erhalten.
  • Allgemeiner Werteverlust in der Gesellschaft: In der heutigen Zeit zollt die Gesellschaft demjenigen Respekt und Ansehen, der erfolgreich ist. Dieses gilt selbst dann, wenn der "Erfolg" mit Gewalt und Rücksichtslosigkeit erreicht wurde. So werden viele Straftaten - wie Versicherungsbetrug, Schwarzarbeit, Konkurs- und Sozialbetrug - längst als Kavaliersdelikt angesehen. Die Politik legitimiert dieses Verhalten, wenn sie gewisse Delikte - wie beispielsweise Ladendiebstahl - bis zu einer gewissen Schadensgrenze völlig entkriminalisieren will.
  • Hohes Anspruchsdenken und mangelnde Sozialisation junger Menschen: Trotz einer langanhaltenden Strukturkrise der Wirtschaft hat sich in Deutschland ein Anspruchsdenken auf höchstem Niveau entwickelt. Dieses löst das früher vorherrschende Versorgungsdenken ab und mündet in erhöhter Gewaltbereitschaft und Rücksichtslosigkeit. Insbesondere jungen Menschen mangelt es häufig an Sozialisation innerhalb der Familie und an positiven Vorbildern.

Konzepte gegen Wirtschaftskriminalität:
Hilfe zur Selbsthilfe und enge Zusammenarbeit
zwischen Unternehmen und staatlichen Stellen

Bei der Bewältigung des Problems "Wirtschaftskriminalität" sollten Unternehmen die Hoffnung auf staatliche Hilfe - angesichts der beschriebenen Situation - auf ein Mindestmaß reduzieren und stattdessen eigene Ressourcen aktivieren:

  • Präventiv gilt es, Krisenpläne zu erarbeiten, die beim Eintritt eines Krisenfalls als Leitfaden für Sofortmaßnahmen dienen können. Hierdurch kann wertvolle Zeit gespart werden, denn gerade im kriminalistischen Bereich sind Schnelligkeit und Beweglichkeit wesentliche Erfolgsfaktoren.
  • Ein kriminalistischer Krisenmanager sollte ständig bereitstehen, um kontinuierliche Kriminalitätsprävention und gegebenenfalls Kriminalitätsrepression betreiben zu können.
  • Ist eine Vertrauensperson für die Mitarbeiter - auch außerhalb von Krisenzeiten - ständig erreichbar, so können "kriminalitätsrelevante" Informationen aus der Mitarbeiterschaft vertraulich gesammelt und diskret "bewältigt" werden.
  • Im Rahmen eines Management by Motivation sollten bewährte betriebspsychologische Instrumente - wie öffentliche Belobigungen, regelmäßige Mitarbeitergespräche, finanzielle und ideelle Belohnungen - kontinuierlich zum Einsatz kommen. Hierdurch kann eine positive Grundeinstellung der Mitarbeiter zum Unternehmen geschaffen und "Mitarbeiterkriminalität aus Frustration" wirksam verhindert werden.
  • Durch das Zusammenwirken verschiedener Disziplinen - also von Juristen, Psychologen, Soziologen, Ökonomen und Kriminalisten - werden Unregelmäßigkeiten im Unternehmen rechtzeitig erkannt, sachkundig analysiert und möglichst schon präventiv bewältigt.
  • Auch die Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden sollten Wirtschaftsunternehmen intensivieren. Die staatliche Strafverfolgung kann einerseits von den üppigen Ressourcen und der globalen Vernetzung der Wirtschaft profitieren. Andererseits dürfte die Aufklärungsrate von Straftaten im Bereich "Wirtschaftskriminalität" - zum Vorteil der Unternehmen - spürbar ansteigen.

Prognose:
Keine Trendwende in Sicht

Auch für die Zukunft kann keine "Entwarnung" im Bereich der Wirtschaftskriminalität gegeben werden. Einerseits lassen leere Staatskassen und mangelnde Einsicht der Politiker eine grundlegende Modernisierung der deutschen Strafverfolgung und Optimierung der internationalen Zusammenarbeit eher unwahrscheinlich erscheinen. Andererseits hat bisher jede Zeit "ihre" Kriminalität hervorgebracht. Genau wie die deutsche Einheit die "Wiedervereinigungskriminalität" auf den Plan rief, so werden auch die zunehmende Nutzung des Internets und die Einführung des Euro neue Formen der Kriminalität stimulieren. Zusätzlich dürfte die Internationalität dieser Phänomene die Wirtschaftskriminalität in bisher ungeahnte Dimensionen treiben.

Nur durch Bündelung aller Kräfte sowie die gemeinsame Einsicht von Wirtschaftsführern und Politikern in die Notwendigkeit eines kriminalistischen Krisenmanagements kann der Schutz der Wirtschaft noch einigermaßen gewährleistet werden. Nur so wird verhindert, daß Wirtschaftskriminelle immer verheerendere Unternehmenskrisen auslösen.

Autor

Rolf D. Kreyer
Kreyer Security
Paulsmühlenstraße 62
D-40597 Düsseldorf
Telefon: +49 (0)180 57 13 381
Telefax: +49 (0)211 71 84 736
Internet: www.ksgermany.de
E-Mail: ksgermany@t-online.de

Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
2. Jahrgang (1999), Ausgabe 7 (Juli)


Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher
schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.
© Krisennavigator 1998-2024. Alle Rechte vorbehalten. ISSN 1619-2389.
Internet:
www.krisennavigator.de | E-Mail: poststelle@ifk-kiel.de

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Wirtschaftskriminalität:
Ein Verbrechenssegment mit langer Tradition

Schon vor 20 Jahren sorgte der Finanzdisponent eines Großunternehmens für Schlagzeilen. Zunächst unbemerkt leitete er 38 Millionen DM auf das Konto eines Kellners um, ließ das Geld bar abheben und flüchtete anschließend mit der Beute nach Südamerika. Die bis dahin erfolgreiche Unternehmensführung stand plötzlich im Blickfeld der Öffentlichkeit. Das Unternehmen wurde mit Häme und Spott bedacht. Immer wieder mußten sich die Führungskräfte die Frage gefallen lassen, wie all dieses unbemerkt geschehen konnte. Kurzum: Eine nicht unerhebliche Ansehenskrise war entstanden.

Erst nach Bündelung aller Kräfte wendete sich das Blatt. Die Kriminalpolizei stellte intensive Ermittlungen an. Rechtsabteilung und Revision des Unternehmens gingen den betriebsinternen Schwachstellen auf den Grund. Ein externer Krisenmanager wurde hinzugezogen, der insbesondere im Umfeld des Täters recherchierte. Schließlich gelang es, den Flüchtigen in Südamerika festzunehmen und ihn - zusammen mit einem Großteil der Beute - nach Deutschland zurückzubringen. Von nun an wandelte sich die öffentliche Meinung über das Unternehmen. Die Führungskräfte wurden in den Medien für ihr beherztes Handeln gelobt und das Unternehmen mit Superlativen bedacht.

Nicht ganz 20 Jahre später ereignete sich ein ähnlicher Fall. Wiederum hatte eine untreue Finanzdisponentin ein weltweit operierendes Großunternehmen über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren schwer geschädigt. Durch betrügerische Finanzverschiebungen gelang es der Frau, rund 10 Millionen DM beiseite zu schaffen. Sie hatte es sogar verstanden, Zweitunterschriften von Führungskräften zu erhalten. Zwar war in diesem Fall die Festnahme der Täterin eine reine Formsache. Dennoch konnte der Schaden nur teilweise wieder gutgemacht werden, denn es blieb großes Mißtrauen innerhalb des Managements. Mehrnoch: Es kam - wegen gegenseitiger Verdächtigungen - beinahe zur "inneren Spaltung" der Geschäftsführung.

Hilfe von außen war gefragt. Ein "kriminalistischer Krisenmanager" stellte intensive Ermittlungen im Unternehmen an. Hierdurch konnte dem Finanzbereichsleiter des Unternehmens eine erhebliche Mitschuld nachgewiesen werden. Schließlich räumte dieser in einem handschriftlichen Geständnis seine volle Schuld ein und gab zu, nichts zur Verhinderung des Schadens unternommen zu haben. Erst jetzt konnte die Führungskrise beigelegt werden und das Management zum Tagesgeschäft zurückkehren.

Beide Fallbeispiele machen dreierlei deutlich:

Aufbauend auf diesen Überlegungen werden im folgenden die Akteure und Ursachen sowie praxisnahe Konzepte gegen Wirtschaftskriminalität erörtert. Ein Ausblick auf die zukünftigen Herausforderungen des kriminalistischen Krisenmanagements rundet die Darstellung ab.

Akteure der Wirtschaftskriminalität:
Von der Individualkriminalität bis zur Staatskriminalität

Es gibt keine verläßlichen Zahlen über den jährlichen Gesamtschaden, der durch Wirtschaftskriminelle verursacht wird. Allerdings belaufen sich die Schadensschätzungen allein für den Bereich des Anlagebetruges auf rund 60 Milliarden DM pro Jahr. Doch dieses dürfte nur ein Bruchteil der gesamten Wirtschaftskriminalität sein. Die Vielfalt dieses Kriminalitätssegmentes spiegelt sich auch in der Vielzahl der Akteure wieder:

Die Wirtschaftspionage muß dabei keineswegs durch riskante "personelle Angriffe" auf Mitarbeiter des betreffenden Unternehmens erfolgen. Bedingt durch die weitreichende Vernetzung der Wirtschaft und den Austausch großer Mengen an digitalisierten Daten ergeben sich relativ risikolose technische Möglichkeiten zum Angriff auf sensible Unternehmensdaten. Das intensive Abhören des internationalen Telefonverkehrs - insbesondere mit den USA - und das Ausspähen wichtiger Daten über ISDN-Telekommunikationsanlagen sind sicherlich nur die Spitze des Eisbergs. Abhörangriffe weit unterhalb der Möglichkeiten einer staatlichen Wirtschaftsspionage durch Wettbewerber mit recht einfachen Mitteln der Abhörtechnik - wie "Wanzen" oder Minikameras mit Sprachübertragung - sind in den hart umkämpften globalen Märkten längst an der Tagesordnung.

Zur Vermeidung existenzbedrohender Unternehmenskrisen durch Wirtschaftsspionage - gleich welcher Art - sollten Unternehmen daher frühzeitig Rat bei kriminalistischen Krisenmanagern und High-Tech-Abwehrtechnikern suchen. Außerdem gilt es, die "Vital Records" rechtzeitig zu sichern und bei "unerklärlichen Vorfällen" sofort Spionageabwehrtechnik einzusetzen. 

Ursachen der Wirtschaftskriminalität:
Staatliche Schützenhilfe, mangelnde internationale
Zusammenarbeit, allgemeiner Werteverlust

Ebenso vielfältig wie die Erscheinungsformen der Wirtschaftskriminalität sind auch deren Ursachen:

Konzepte gegen Wirtschaftskriminalität:
Hilfe zur Selbsthilfe und enge Zusammenarbeit
zwischen Unternehmen und staatlichen Stellen

Bei der Bewältigung des Problems "Wirtschaftskriminalität" sollten Unternehmen die Hoffnung auf staatliche Hilfe - angesichts der beschriebenen Situation - auf ein Mindestmaß reduzieren und stattdessen eigene Ressourcen aktivieren:

Prognose:
Keine Trendwende in Sicht

Auch für die Zukunft kann keine "Entwarnung" im Bereich der Wirtschaftskriminalität gegeben werden. Einerseits lassen leere Staatskassen und mangelnde Einsicht der Politiker eine grundlegende Modernisierung der deutschen Strafverfolgung und Optimierung der internationalen Zusammenarbeit eher unwahrscheinlich erscheinen. Andererseits hat bisher jede Zeit "ihre" Kriminalität hervorgebracht. Genau wie die deutsche Einheit die "Wiedervereinigungskriminalität" auf den Plan rief, so werden auch die zunehmende Nutzung des Internets und die Einführung des Euro neue Formen der Kriminalität stimulieren. Zusätzlich dürfte die Internationalität dieser Phänomene die Wirtschaftskriminalität in bisher ungeahnte Dimensionen treiben.

Nur durch Bündelung aller Kräfte sowie die gemeinsame Einsicht von Wirtschaftsführern und Politikern in die Notwendigkeit eines kriminalistischen Krisenmanagements kann der Schutz der Wirtschaft noch einigermaßen gewährleistet werden. Nur so wird verhindert, daß Wirtschaftskriminelle immer verheerendere Unternehmenskrisen auslösen.

Autor

Rolf D. Kreyer
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